Beziehungspause – Funktioniert sie wirklich?
Die ‚Berliner Morgenpost‘ hat mich Ende November zum Thema Beziehungspausen interviewt. Hier teile ich einige weiterführende Gedanken, die über das hinausgehen, was in einem Zeitungsartikel Platz findet.
Bei meiner Recherche sind mir zahlreiche Aussagen begegnet, die nahelegen, Beziehungspausen seien erfolgreich, wenn Paare sich an bestimmte Regeln halten. Das ist nicht grundsätzlich falsch, allerdings ist die Realität oft komplexer.
Folgende drei Punkte sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man über die Möglichkeit einer Beziehungspause nachdenkt und versucht, sie klug zu navigieren.
📋 Das Wichtigste in Kürze
- Regeln können helfen. Aber Paare, die kurz vor einer Trennung stehen, finden oft schwer zu gemeinsamen Vereinbarungen. Wären sie dazu in der Lage, wäre eine Pause womöglich gar nicht nötig geworden.
- Beziehungspausen sind ein Weg, mit Ängsten umzugehen. Sie können helfen, Ängste wie die vor einer endgültigen Trennung oder davor, den Partner zu verletzen, zu mildern. Gleichzeitig können sie aber auch Ängste schüren, etwa die Angst, verlassen zu werden, oder die Furcht vor Einsamkeit. Erfolgreiche Beziehungspausen erfordern daher oft viel emotionale Selbstregulation.
- Statistische Realität: Die meisten Beziehungspausen führen zur Trennung. Nur in etwa 20 % der Fälle verbessern sie die Beziehung. Eine positive Wirkung ist also möglich, das ist aber kein Selbstläufer.
1. Beziehungspause: Was bedeutet das eigentlich?
In der Theorie ist eine Beziehungspause eine bewusste Entscheidung, Abstand zu nehmen, um zur Ruhe zu kommen und sich zu sammeln. Sie ist der Versuch, immer wiederkehrenden Konflikten aus dem Weg zu gehen, verbunden mit der Hoffnung, dass es danach anders weitergeht. Der Begriff „Pause“ legt also nahe, dass das Paar langfristig zusammenbleiben will.
Paare sind aber selten so gut sortiert – und schon gar nicht in einer Situation, in der über eine zeitweise Trennung nachgedacht wird. Da kann die Beziehungspause schnell ein Abschied auf Raten werden oder ist von vornherein eher als Trennung auf Probe gedacht. Oder die Pause wird einseitig impulsiv und nicht gemeinsam ausgerufen. In solchen Fällen fehlt eine gemeinsame Zielstellung und eine Person fühlt sich verlassen und auf sich selbst zurückgeworfen.
2. Ist eine Beziehungspause sinnvoll?
Eine Beziehungspause kann die Beziehung retten – ist aber eher ein letzter Versuch und kein Instrument regelmäßiger Beziehungspflege. Sie stärkt die Beziehung insbesondere dann, wenn es den Personen gelingt, sich während der Pause auf sich selbst zu konzentrieren. Wieder Energie zu tanken oder Klarheit darüber zu gewinnen, was sie braucht, um wieder voll in der Beziehung investiert sein zu können und die Neugier auf die Partner:in wiederzugewinnen.
Sie kann auch sinnvoll sein, wenn die sofortige Trennung zu schmerzhaft scheint und für sich herausfinden will, wie es einem mit der Trennung geht. Hier erfüllt sie weniger die Hoffnung die Beziehung zu stärken, sondern ebnet den Weg für schwierige Entscheidungen.
Weniger sinnvoll ist sie, wenn die Entscheidung schon gefallen ist, aber der Mut zu einer klaren Ansage fehlt. Dann birgt sie die Gefahr unbegründete Hoffnungen zu schüren und führt möglicherweise zu zusätzlicher Verbitterung, die eine bewusste und einvernehmliche Trennung erschwert.
3. Was sind die häufigsten Gründe für eine Beziehungspause?
In irgendeiner Form das Gefühl der Erschöpfung. Die Beziehung laugt aus und kostet mehr Kraft als sie spendet. Die Paare haben das Gefühl immer wieder in den gleichen Strudel zu geraten. Und mindestens eine Person erlebt Abstand als erholsamer.
Die häufigsten Auslöser sind:
- Das Gefühl sich selbst verloren zu haben und sich in der Anwesenheit des Partner:in nicht entfalten zu können. Die Pause soll dazu dienen, sich intensiv mit sich selbst zu befassen und neue Kraft zu schöpfen.
- Individuelle Herausforderungen, wie z.B. Traumata, Suchtprobleme oder ungelöste emotionale Konflikte. Diese können die Beziehung sehr belasten. Auch hier kann eine Pause sinnvoll sein, um einen anderen Umgang mit diesen Problemen zu finden.
- Und manchmal steht auch gar nicht das wieder Zusammenkommen im Vordergrund. Die Beziehungspause ist dann eher eine Trennung auf Probe, um herauszufinden, ob es einem ohne den anderen wirklich besser geht.
Beziehungspausen sind oft ein Versuch, mit eigenen Ängsten umzugehen, etwa der Angst vor dem Alleinsein, der Angst, verlassen zu werden, oder der Angst, andere zu verletzen. Der Begriff Pause klingt nur vorübergehend und mit diesem Gedanken ist man den eigenen Ängsten weniger ausgesetzt.
4. Kommt eine Beziehungspause auch bei älteren Paaren vor?
Grundsätzlich sind Beziehungspausen keine Frage des Alters.
Jüngere Paare neigen vielleicht eher dazu, da sie sich oft noch in einer Phase der Selbstfindung befinden. Zudem ist die Bindungsbereitschaft bei der jüngeren Generation geringer, was eine Trennung auf Zeit oder eine dauerhafte Auflösung der Beziehung erleichtert.
Bei älteren Paaren spielen eher Lebensumbrüche eine Rolle, wie der Auszug der Kinder, das Ende des Berufsleben oder die Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens. Solche Umbrüche können Zweifel am bisherigen Lebensweg auslösen. Eine Beziehungspause soll Gelegenheit bieten, um innehalten zu können und die eigene Orientierung wiederzufinden.
5. Beziehungspause mit Kindern: Ist das überhaupt möglich?
Ja natürlich, warum nicht? Ebenso wie bei dauerhaften Trennungen gibt es hier aber ein paar Dinge zu beachten.
Wichtig ist, dass der durch die Kinder entstehende Abstimmungsbedarf so geregelt wird, dass er dem Zweck der Pause nicht im Weg steht. Die Partner:innen also nicht ständig wieder in die alten Streitigkeiten verfallen. Heutzutage gibt es viele elektronische Abstimmungsmöglichkeiten, die hierfür schlau genutzt werden können.
Ein wichtiger Punkt ist die Kommunikation mit den Kindern. Die Pause sollte altersgerecht und offen kommuniziert werden, ohne zu viel Unsicherheit auszulösen. Am besten mit dem Hinweis, dass die Pause ein Versuch ist, in Zukunft ein schöneres Familienleben zu ermöglichen – aber nur, wenn das auch wirklich stimmt.
Am wichtigsten ist, die Partner:in in Anwesenheit des Kindes niemals abzuwerten. Kinder fühlen sich als Teil ihrer Eltern und beziehen Kritik an einem Elternteil auf sich selbst. Jeder Pfeil, den man auf seine Partner:in abfeuert, trifft das Kind ins Herz. Seinen Frust sollte man bei seinen Freund:innen oder Therapeut:innen lassen.
6. Welche Regeln sind für eine Beziehungspause sinnvoll?
Klare Regeln sind entscheidend. Ansonsten würde ich auch gar nicht von Pause, sondern eher von Trennung auf Probe sprechen. Vier Punkte sind besonders hilfreich:
Erstens: Festlegen, wozu die Pause dient. Was soll sich ändern? In irgendeiner Form sollte es immer darum gehen, dass jede Person an sich selbst arbeitet, z. B. herauszufinden, was sie braucht, um danach vollständiger in Beziehung sein zu können. Der reine Wunsch nach Erholung ist zu diffus und reicht nicht aus, damit sich etwas nachhaltig ändert.
Zweitens: Entscheidet gemeinsam, ob und wie ihr während der Pause miteinander in Kontakt seid. Ist es hilfreich, euch regelmäßig zu sprechen, oder braucht ihr völlige Distanz?
Drittens: Die Spielfeldbegrenzung klar festlegen: Was ist während der Pause erlaubt und was nicht? Meistens sollte es in monogamen Beziehungen Tabu bleiben, jemand anderes zu daten, da die Pause ja die bisherige Beziehung stärken soll. Je klarer die Spielregeln sind, desto weniger Verletzungen entstehen.
Viertens: Nach der Beziehungspause: Wie geht es weiter? Besprecht, wann und wie ihr wieder zusammenkommt. Führt zum Ende der Pause ein Gespräch darüber, was ihr über euch gelernt habt und was ihr zukünftig in eurer Beziehung anders machen wollt. Ohne diesen Schritt kann die Pause wirkungslos bleiben und alte Gewohnheiten gewinnen schnell wieder die Oberhand.
Das alles ist anspruchsvoll. Und die Gretchenfrage lautet: Warum sollten Paare ausgerechnet jetzt in der Lage sein, derart konstruktive Gespräche zu führen? Hätte das in der Vergangenheit gut funktioniert, wäre die Pause gar nicht notwendig gewesen. Doch gerade dieser Abstand kann entlastend wirken – manchmal so sehr, dass Raum für eine neue, positive Dynamik entsteht. Gleichzeitig könnte jetzt auch der richtige Moment sein, um sich Unterstützung zu holen. Das können Freunde sein, die einfach zuhören und Halt geben oder eine Paarberatung, die dabei hilft, die Gespräche in die richtigen Bahnen zu lenken.
7. Sind Beziehungspausen erfolgreich?
Zu diesem Thema gibt es leider nur sehr wenig systematische Forschung. Außerdem hängt vieles davon ab, wie bewusst und mit welchem Ziel die Beziehungspause eingelegt wird.
Sicher ist, eine Beziehungspause ist keine Art „Vitaminspritze“, die man sich in einer gut funktionierenden Beziehung ab und zu gönnen sollte. Sie ist eher ein letzter Versuch, bevor es zur endgültigen Trennung kommt – und in den meisten Fällen verhindert sie diese nicht. Die Untersuchungen, die ich kenne, gehen davon aus, dass in etwa 15 % bis 25 % der Fälle Paare wieder zusammenfinden und die Beziehung gestärkt wird.
In Anbetracht der Ausgangslage, finde ich das keine schlechte Quote. Außerdem haben Paare selbst Einfluss darauf. Durch Beratung und eine bewusste Gestaltung der Pause können sie ihre Chancen erhöhen. Es gibt also viele Paare, die durch eine Pause wieder mehr zu sich selbst und ihrer Lebensfreude gefunden haben.